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Serie Starting Colts (6)
Die ersten Schritte von "oben"
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„Colt Starter“, so nannte man in den USA die Personen, die fast ausschließlich für das Einreiten von Jungpferden zuständig waren. Oft verstand man unter „Colt Starting“ das schnelle Einreiten von Pferden, bis es aufgibt und nicht mehr buckelt. Die Methoden dabei waren oftmals alles andere als pferdeschonend, und der Job wurde nicht selten von ehemaligen Rodeoreitern übernommen – ein Vorgehen mit Konzept und Rücksichtnahme auf die Psyche des jungen Pferdes war dabei sehr selten. Damals war das Einreiten etwas für mutige Mannsbilder, und die Arbeit sollte meist in wenigen Tagen erledigt sein. Bodenarbeit war ein Fremdwort und nichts für „harte Männer“.

Die Zeiten haben sich geändert und – Gott sei Dank – herrscht bei uns ein anderes Bewusstsein, was den Umgang mit Pferden betrifft. Schon seit einiger Zeit weiß man, dass gerade die ersten Erfahrungen, die ein junges Pferd bei der Zusammenarbeit mit dem Menschen macht, von prägender Bedeutung sein können. Aus diesem Grund schätzt man heute ein solides Basistraining, weil es ein Fundament ist, auf das man immer wieder zurückgreift.




 

In den vergangenen Monaten haben wir die „Vorarbeit“ ausführlich beschrieben und nun schon etliche Trainingstage damit verbracht, unser Pferd auf die Arbeit unter dem Sattel vorzubereiten: Wir versuchten, ein Vertrauens-/Respekt- Verhältnis aufzubauen, das Pferd an bestimmte Dinge zu gewöhnen und mit bestimmten Bodenarbeitsübungen auf die Reiterhilfen einzustimmen. Das Pferd wurde nun schon einige Einheiten vom Boden aus mit Reiter geführt und duldet, dass wir sicher aufsteigen und uns im Sattel bewegen. Wenn wir nun „von Oben“ die ersten Schritte verlangen, ist es wichtig, mit Gefühl und Konzept vorzugehen.

Dabei spielt die laterale Kontrolle durch den direkten Zügel eine wichtige Rolle. Wenn ich aufgestiegen bin und das erste Mal vorsichtig versuchen möchte, das Pferd zu bewegen, nehme ich immer den linken Zügel (Zäumung Sidepull) und fordere das Pferd auf, dem Zug etwas nachzugeben.

Die ersten Schritte mit Reiter: Laterale Kontrolle durch den direkten Zügel

Durch unsere Vorarbeit vom Boden aus dürfte es in der Regel kein Problem sein, den Kopf etwas abzustellen. Erst dann vordere ich das einwärts gestellte Pferd durch vorsichtiges Schnalzen und etwas Schenkeldruck auf, sich einige Tritte zu bewegen. Warum gerade nach links? – Auch wenn man immer versucht, Pferde wirklich beidseitig gleichmäßig zu arbeiten, so steht man doch öfters links neben einem Pferd als recht. Es ist ein Ritual, dass jedes Pferd bei mir seine ersten Schritte mit Reiter nach links in einen Kreis macht.

„Sollte das Pferd trotz unserer Vorarbeit unerwartet erschrecken, klemmen und doch durchstarten wollen, kann ich das bereits einwärts gestellte Pferd viel besser mit dem direkten Zügel anhalten.“

Das Anhalten würde mir deutlich schwerer fallen, wenn das Pferd gerade ist, da es sich dabei viel leichter festmachen und durchstarten kann – daher beginne ich lieber auf einer Volte. In der Regel braucht es etwas Aufforderung, bis es sich wirklich einige Tritte vorwärts bewegt. Diese Aufforderung sollte dosiert und mit viel Gefühl geschehen! Meist zögert das Pferd ein wenig und geht dann doch vorsichtig und etwas verunsichert zwei bis drei Schritte. Es ist meistens so, dass das Pferd nach wenigen Tritten wieder von alleine stehen bleibt. Jetzt steige ich ab, führe das Pferd ein paar Schritte und wiederhole den Vorgang.

„Warum steige ich nun schon wieder ab? Ich möchte dem Pferd vom ersten Tag an zeigen, dass Anhalten etwas ‚Tolles‘ ist!“

Natürlich handelt es sich hierbei um ein selbständiges Anhalten durch das Pferd, das später ganz und gar nicht erwünscht ist. Doch wie schon erwähnt, läuft Jungpferdetraining etwas anders ab und Hilfen verändern sich. Der Vorteil des selbständigen Anhaltens beim ersten Reiten liegt auch darin, dass ich nun erneut das ‚In den Schritt gehen‘ üben kann. So kann ich durch Wiederholungen ein erstes Lernziel verfolgen. Es ist ja auch sinnvoller, mit dem jungen Hund in einem kurzen Zeitraum das Kommando ‚Platz‘ zu wiederholen, anstatt ihn zwei Stunden auf seinem Platz liegen zu lassen!

Das Lernziel der ersten Tage

Was ist genau das Lernziel der ersten Tage? Klar, dass Pferd soll Vertrauen zum ‚Piloten‘ bekommen und spüren, dass wir von oben ähnliche Hilfen wie von unten anwenden. Neu ist eigentlich nur die Übung ‚in den Schritt reiten‘ und Schenkelhilfen, die den Rumpf etwas kontrollieren und begrenzen sollen. Mir ist es nun sehr wichtig, dass ich mit dem direkten Zügel Einfluss auf die Stellung des Pferdes bekomme und der Rest des Pferdekörpers (Schulter, Hüfte) der Nase folgt. Wie schon erwähnt, ist jedoch nicht die Nase die Lenkung, sondern die Schulter! Also stelle ich zuerst das Pferd etwas einwärts, treibe es mit beiden Schenkeln vorsichtig in den Schritt und hoffe, dass der Rumpf der Nase folgt. Aber meistens geschieht das nicht, und das Pferd ‚eiert‘ anfangs über die Schulter. Wenn das passiert, nehme ich den inneren Schenkel sofort weg, treibe weiter vorsichtig mit dem äußeren Schenkel und zwar so lange, bis auch die Schulter ‚in Richtung Nase‘ läuft. Und wie immer hört jeder Druck sofort auf, wenn das Pferd richtig reagiert.

„Sehr bald wird das junge Pferd lernen, dass ein Laufen über die Schulter zu einem Druck führt, den es selbständig beenden kann. Und zwar dann, wenn es seiner Nase nachläuft!“

Viel reiterliche Erfahrung und sehr gutes Einfühlungsvermögen entscheidend

Gerade hier zeigt sich der Unterschied zwischen erfahrenen Reitern und Anfängern. Sehr gutes Timing und eine entsprechend feinfühlige Dosierung der Hilfen ist unbedingt notwendig. Sinnloses Hauen, frühzeitiges Einsetzten oder gar Kicken der Sporen an der Schulter kann zwar auch zu einem vermeintlich zufriedenstellenden Ergebnis führen, jedoch stets auf Kosten der mentalen Zufriedenheit. Deshalb ist es oft besser, dem Pferd mit dem aktiven begrenzenden Schenkel eine Aufgabe zu stellen und den leicht ansteigenden Druck so lange bestehen zu lassen, bis es die Lösung (Weichen) gefunden hat, statt beim kleinsten Missverständnis Gewalt anzuwenden. Also steuere ich das Pferd bei den ersten Versuchen primär am direkten Zügel mit Hilfe des äußeren Schenkels. Natürlich lege ich den begrenzenden äußeren Zügel auch schon an. Zu diesem Zeitpunkt hat der äußere Zügel bei mir jedoch nur eine Alibifunktion und wird erst einige Tage später „installiert“, also ernsthaft eingesetzt.

Zehn Minuten reichen am Anfang

Die ganze Einheit dauert erst einmal nur rund zehn Minuten. In dieser Zeit verlange ich nichts anderes vom Pferd, als den Reiter ein paar Schritte entspannt zu tragen. Immer wieder führe ich dabei den direkten Zügel etwas zur Seite, stelle also den Kopf in eine Richtung und lege den indirekten Zügel mit an den Hals. Wenn das Pferd gut reagiert hat und dem direkten Zügel gefolgt ist, gebe ich die Zügel nach, damit das Pferd sich strecken und entspannen kann. Dabei kann es dann natürlich auch einige Meter wieder gerade laufen.

„Das Pferd soll sich vom ersten Tag an abstrecken können! Diese Möglichkeit sollten wir ihm geben!“ Was jedoch nicht bedeutet, die Zügel dann so lang zu lassen, dass wir sie im Ernstfall erst wieder minutenlang einsammeln müssten. Besser ist es, die Arme zu strecken und dadurch Zügel zu geben. Abstrecken bedeutet aber auch nicht, den Kopf in den Sand zu stecken und sich aus dem Sattel zu hebeln. Kommt es nun doch vor, dass das Pferd sich im Hals und Rücken fest macht, lenke ich es weich mit dem direkten Zügel in einen Kreis, bis es im Hals locker wird, und lasse es dann sofort wieder raus!

Das erste Anhalten

Mit dem ersten Anhalten habe ich durch das Fahren vom Boden in der Regel keine Probleme. Geht das Pferd entspannt und ruhig vorwärts, setze ich mich etwas tiefer in den Sattel, bringe etwas Druck in die Bügel, sage ‚Whow‘ und nehme langsam die Zügel auf. Weil es durch unsere Vorarbeit gelernt hat, dem Druck zu weichen und ihm dieser Vorgang bekannt vorkommt, wird es anhalten und bei anstehendem Druck einige Tritte Rückwärts machen. Das verlange ich vom ersten Tag an, und oftmals auch, wenn das zögerliche Pferd einmal von selbst stehen geblieben ist: immer wieder leicht aufnehmen und das Pferd durch Druck auf die Nase ein wenig rückwärts treten lassen, Schritt für Schritt! In dieser Lernphase ist es besser, fünf einzelne Schritte rückwärts separat zu fordern, als fünf Schritte am Stück zu gehen!

„Das Rückwärts ist so wichtig, schafft Kontrolle und ein gutes Gefühl. Daran sollten wir vom ersten Tag an arbeiten.“

Vorsicht: ‚Kettenreaktionen‘ unbedingt vermeiden!

Ein Problem, das nicht selten die ersten Tage auftreten kann, ist eine unerwartete Kettenreaktion. Davon kann ich ein Lied singen: Man sitzt gerade erstmals auf einem jungen Pferd, eiert vorsichtig durch die Halle und bemüht sich, weiche Hilfen zu geben, da springt der („sonst macht er das nie“) Hund eines Zuschauers die Band von außen hoch und teilt akustisch seine unüberhörbare Begeisterung mit. Ein weiteres Beispiel, das ich bei der Jungpferdearbeit liebe, ist das plötzliche Aufreissen der Hallentür und eine anschließende Kettenreaktion des Jungpferdes mit dreifachem, leider nicht gestandenem Rittberger des Trainers. Meist vergeht noch ein Moment und ich bin gerade dabei mir den Sand aus den Augen zu entfernen, bevor ein höfliches „Tür frei“ erklingt. Richtig große Freude kommt dann noch auf, wenn die sachkundige Feststellung „Oh, der ist wohl noch jung!“ kommt.

Rücksichtnahme gehört zum Ehrenkodex!

Warum nenne ich diese zwei Beispiele? – Ich will damit sagen, dass man auf jeden Reiter mit einem jungen Pferd Rücksicht nehmen sollte! Wir brauchen nicht die Ruhe wie auf einem Tennisplatz, aber bestimmte Dinge sollten wir gerade bei den ersten ‚Gehversuchen‘ unbedingt vermeiden. Dazu gehört z.B. auch das allzu knappe Vorbeireiten an Jungpferden und das Knallen der Gerte! Es gibt nicht wenige Leute, die nun denken, dass ich mein Pferd dann besser auf diese Dinge vorbereiten solle. Doch ess gibt trotz guter Vorbereitung immer wieder Tiere, die sehr unsicher sind und auch mal heftig reagieren. Deshalb sollte Rücksicht mehr als selbstverständlich sein, zur Sicherheit aller Beteiligten!

Ohren als Stimmungsanzeiger

Und wenn wir nun bei Missverständnissen sind, kommen wir gleich zum nächsten Punkt. So wie es ängstliche Tiere gibt, so gibt es gelegentlich auch dominante Pferde, die nicht selten auch noch etwas faul und träge sind und sich vom Sattel aus nicht bewegen lassen wollen. Sie quittieren ein Treiben mit Ohren Anlegen, Hals Hochreissen oder auch Beißen in den Steigbügel.

„Deshalb beim ersten Reiten nicht voraus, sondern auf die Ohren des Pferdes schauen!! Sie zeigen in der Regel an, was gleich passieren könnte!“

Weniger ist mehr – dafür gezielt trainieren

Länger als zehn bis zwanzig Minuten sitze ich während den ersten zwanzig Trainingseinheiten unter dem Sattel selten auf dem Pferderücken. Mehr ist einfach nicht nötig und sogar oft kontraproduktiv, denn Pferde können sich in diesem Alter nur sehr kurz konzentrieren. Hinzu kommt, dass der Tragapparat erst langsam an die Belastung gewöhnt werden muss. Man kann sich mit dem Pferd sicher 30 bis 40 Minuten beschäftigen. Auch mal eine Stunde spazieren zu laufen schadet natürlich nicht. Aber die effektive Lernzeit sollte nicht mehr als zehn Minuten betragen! Deshalb ganz am Anfang kürzer und gezielter an wenigen Dingen arbeiten.




Serie Starting Colts
Teil 1: Systematisches und schonendes Training für junge Pferde
Teil 2: Die Voraussetzungen beim Pferd, den Trainingsmöglichkeiten und dem Equipment
Teil 3: Erste Bodenarbeit und Hufe Geben
Teil 4: Zielorientierte Bodenarbeit als Vorbereitung zum Anreiten
Teil 5: Gewöhnung an Sattel, Reitergewicht und Trense sowie das Fahren vom Boden

Fortsetzung folgt…


Quelle:
Stefan Ostiadal


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z.B. Petra Roth-Leckebusch für den Bereich Zucht.
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Quelle westernreiter

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